22
oder sekundäre Geschlechtsmerkmale fehlen
weitgehend und wo man sie erraten kann, sind
sie ausgesprochen subtil. Es fehlen auch explizite
Darstellungen sexueller Interaktionen, genauso
wie Gebärszenen oder kindliche Betreuung.
Deutlicher sind Malereien, die einen Bezug zum
Tanz respektive zur Musik herstellen. Zwar fehlen
erkennbare Darstellungen von Musikinstrumenten,
allerdings gibt es immer wieder Figuren, die
eine dirigierende Pose einnehmen und in vielen
Fällen strahlen die dargestellten Protagonisten
unmittelbar eine Rhythmik aus. Überwiegend sind
darüber hinaus Gruppen von Personen porträtiert,
die sich in einem sozialen Zusammenhang
befinden. Bemerkenswert ist, dass sich immer
wieder Figuren finden, die sich vom Betrachter
abwenden, also in die Felswand blicken und den
Blick nicht dem Betrachter zuwenden, eine für uns
eher ungewöhnliche Pose. In den meisten Fällen
haben die Figuren eine Größe von 40-60 cm, in
wenigen Fällen auch durchaus bis zu 2 Metern.
Eine Kartierung der Fundstellen von Bradshaw-
Figuren bestätigt ihre Beschränkung auf die
Kimberley-Region, die allerdings fast die Größe
von Spanien hat. Gleichzeitig wird die Ähnlichkeit
der Motive und der stilistischen Elemente
deutlich, so dass man fast schon von einer Schule
sprechen kann. Gab es tatsächlich eine solche
Schule, deren künstlerische Mitglieder sich in der
unwegsamen Region ausbreiteten, oder sind die
ähnlichen Motive mehrfach isoliert voneinander
entstanden und haben eine ähnliche stilistische
Entwicklung gemacht? Und an diese Frage
schließt sich die grundsätzliche Frage nach den
Menschen an, die diese Kunstwerke geschaffen
haben. Wer waren sie, wo kamen sie her und
no recognisable depictions of musical instruments,
there are many figures who strike poses as if
directing music, and in many cases a rhythm
seems to emanate from the figures depicted in
the paintings. Furthermore, groups of people are
usually depicted in a social context. It is worth
noting that figures often appear to be turned
away from the viewer, as if looking into the stone
surface rather than turning towards the viewer,
which seems to us a rather unusual pose. In most
cases, the figures are between 40 and 60 cm tall,
though some may be up to two metres tall.
Mapping the locations of Bradshaw figures
confirms that they are limited to the Kimberley
region, which is still almost the size of Spain.
However, the similarity of the motifs and stylistic
elements is such that one can almost think of
it as an artistic school. Did such a school exist,
and if so, did its members spread out across the
Australien wurde vor gut
60 000 Jahren von
Vorfahren der Aborigines
über die damalige
Landverbindung aus
Neu Guinea besiedelt.
Felsmalereien bilden
einen wesentlichen Teil
ihrer Kultur, auch in
der Kimberley-Region
finden sich großartige
Gemälde, insbesondere von
Wandjina Darstellungen.
Sie haben wenig stilistische
Verbindung zu den
Bradshaw-Figuren und
datieren auf etwa 5000
Jahre.
Die Aborigines selbst haben
den Bradshaw-Figuren
eine mystische Entstehung
zugeschrieben. Das wirft die
Frage nach den Urhebern
dieser Figuren auf. Eine
Diskussion dieser Frage
stützt sich weitgehend
auf einen stilistischen
Vergleich mit anderen
Felskunstbildern. Dabei
fällt eine Ähnlichkeit
mit Felsbildern in Afrika
auf was die Darstellung
menschlicher Figuren und
deren Attribute betrifft. Aus
dieser Ähnlichkeit heraus
erscheint es denkbar, dass
vor ca. 70 000 Jahren
eine Auswanderungswelle
aus Afrika Australien
über den Seeweg erreicht
hat und im damaligen
breiten Küstenstreifen sich
niedergelassen hat. Der
steigende Meeresspiegel
und die Konkurrenz vom
Landesinnern an die Küste
drängenden Populationen
haben möglicherweise diese
Zivilisation vor 10-20 000
Jahren beendet.